Vor Beginn des II. Weltkrieges, der durch die damalige nationalsozialistische Regierung ausgelöst
wurde, hat das Deutsche Reich vor allem militärisch aufgerüstet. Dazu gehörte unter anderem auch
der Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur für die neu geschaffene deutsche Luftwaffe.
Daher wurden nicht nur militärisches Fluggerät, sondern auch geeignete Flugplätze benötigt. Diese
waren entsprechend der Luftwaffennomenklatur in Fliegerhorste, Einsatzhäfen I. und II. Ordnung,
Feldflugplätze, Gefechtslandeplätze sowie Scheinflugplätze gegliedert, in der hier
gewählten Auflistung mit abnehmender Bedeutung.
So wurde auch auf der teilweise morastigen Hochfläche zwischen den Ortschaften Ailertchen und
Halbs die Einrichtung eines Einsatzhafens I. Ordnung geplant.
Diese Einsatzhäfen zeichneten sich durch eine landschaftstypische Bauweise der Dienstgebäude
aus, um den Eindruck eines landwirtschaftlich genutzten Gutes zu erwecken, zumal keine
Hartbelag-Bahnen, sondern nur nahezu geschlossene Grasflächen vorhanden waren, die u.a. durch
zum Flugplatz gehörende Schafherden gepflegt wurden.
Diese Plätze waren in Friedenszeiten nicht mit fliegenden Einheiten belegt, so dass der gewünschte
Tarneffekt noch verbessert wurde.
Detailierte Geschichte des Flugplatzes hier weiterlesen...
Etwa ab 1937 wurde südöstlich der Ortschaft Ailertchen in den Gemarkungen Ailertchen, Halbs,
Hergenroth, Westerburg und Langenhahn mit dem Bau des Platzes begonnen. Nach Rodung der
vorhandenen Fichtenkulturen ist das Gelände im Bereich der späteren Flugbetriebsflächen mit
Dampfpflügen tief gepflügt, drainiert und eingeebnet worden [1]. Diese Maßnahmen bewirkten,
dass die Trinkwasserquellen der Gemeinde Halbs teilweise trocken fielen, da durch die neue
Flugplatzdrainage diese Quellen nun über den südlich Ailertchen angelegten Vorfluter in den
Elbbach entwässerten, so dass ab dem angeführten Zeitraum die Gemeinde Halbs bis 2021 über eine
Druckleitung, die in Richtung Stahlhofen verlegt worden ist, mit Trinkwasser versorgt werden musste [2].
Im Zeitraum von 1938 bis 1939 erfolgte die annähernde Fertigstellung des E-Hafens I. Ordnung
unter der Leitung der Bauverwaltung des Luftgaus XII Wiesbaden. Da im wesentlichen das
Regelspur- Anschlussgleis vom Bahnhof Langenhahn, das eines der Kriterien für einen E-Hafen I. Ordnung
darstellt und die Munitionsbunker Mitte 1939 noch fehlten, wurde der Platz als nicht einsatzfähig geführt [3].
Bis zu diesem Zeitpunkt bestand die Infrastruktur aus einem ca. 1050 m x 1050 m messenden, mit Gras
eingesätem Rollfeld, so dass sich eine maximale Bahnlänge von etwa 1200 m in südlicher bzw. nördlicher
Richtung ergab.
Weiterhin waren die für den Platzbetrieb erforderlichen Einrichtungen, wie das aus Westerwälder
Basalt und Bruchsteinen errichtete Funktions- und Garagengebäude (Bild 1), Sanitär- und Unterkunft-Baracken
sowie die Küchen- und Verwaltungsbaracken fertiggestellt [3].
Die Feldtankleitungen für drei Tankanlagen waren verlegt, die Tanks selbst noch nicht angeliefert, während
die Energie- und Wasserversorgung hingegen schon betriebsbereit waren.
Überraschend wurde dann am 28. August 1939, dem Tag der Mobilmachung, die Fliegerhorst-Kommandantur sowie
die Luftnachrichten-Stelle Ailertchen aufgestellt und die entsprechenden
Feldpostnummern zugeteilt, obwohl der Platz für den Flugbetrieb immer noch nicht genutzt werden konnte [3].
Wie J. Zapf berichtet, wird der Einsatzhafen Ailertchen mit Datum vom 15.03.1940 vom Luftwaffen-Bauamt
Wiesbaden als einsatzfähig bezeichnet und, wie auch die beiden Nachbarplätze Lippe und Breitscheid schon,
dem Leithorst Wiesbaden-Erbenheim unterstellt, nachdem zwischenzeitlich Anschluss- und Ringgleisanlage,
zwei Tankanlagen sowie die Rollbahnen zu den Liegeplätzen und die Liegeplätze selbst fast fertig gestellt
waren. Der Baufortschritt der drei Munitionsbunker mit einer Kapazität von 20t betrug zu diesem Zeitpunkt
allerdings erst 70% und der zwei mit 10t nur 40%.
Der Gleisanschluss führte vom Bahnhof Langenhahn bis zur heutigen Besucherterrasse des Sonderlandeplatzes
Ailertchen (ICAO-Kennung EDGA). Dort war eine der Tankanlagen installiert. Ca. 600m vorher zweigte das
Ringgleis in südwestlicher Richtung ab, um in einer Linkskurve sich in Süd-, Südost-und dann Ostrichtung
dem heute noch vorhandenen Steingebäude zu nähern und in unmittelbarer Nähe zu enden. Einen ungefähren
Überblick über die örtliche Situation ist dem topografischen Kartenausschnitt (Bild 2) einer frühen
Nachkriegskarte zu entnehmen. In dieser Karte ist die Trasse des Anschlussgleises zum Teil noch durch
eine unterbrochene Linie eingezeichnet.
Die Liegeplätze der Flugzeuge waren entlang des Platzrandes und außerhalb des Südwestrandes verteilt,
die Munitionslager mit Straßenanbindung in der Südwest-Ecke errichtet [3].
Besser ist die örtliche Situation auf einer Luftaufnahme eines US-amerikanischen Aufklärers zu erkennen,
die dieser aus 24500 Fuß (7500m) am 22. Februar 1945 machte (Bild 3). Neben den schon genannten Anlagen
zeigt diese Fotografie am Ortsausgang von Ailertchen in Richtung Halbs als letztes Haus links das Wachlokal
(heute Privathaus) sowie etwas südlicher auf der gleichen Seite das Wohnhaus mit Schafstall des
Flugplatzschäfers (heute Flugplatzgaststätte und Flugzeughalle). Am Platzanfang, auf Höhe der
genannten Tankanlage, sind Splitterschutzgräben in Zickzack-Form zum Schutz des Bedienungspersonals zu sehen.
Linker Hand der Straße Richtung Südosten (Halbs) steht das Gebäude der Peilanlage für den Blindanflug des Platzes.
Noch weiter südlich und östlich der Landstraße sind im Gelände drei Flakstellungen sichtbar. Fundamente einer
solchen Stellung sind heute noch anzutreffen (Bild 4). Weiter im Osten und Südosten sind jeweils Werkstätten
im Wald zu erkennen. Der Platz selbst, dessen Drainage-Verlauf im Bild deutlich sichtbar ist, scheint nicht
mit fliegenden Einheiten belegt zu sein.
Abgesehen von der Tatsache, dass der E-Hafen nach seiner endgültigen Fertigstellung z.B. immer mal wieder als
Ausweichplatz bei Angriffen auf die eigene Basis, als Notlandeplatz nach Luftkämpfen oder bei Kraftstoffmangel
genutzt worden ist, ist über seine Belegung mit fliegenden Verbänden nur wenig bekannt.
In einer Dokumentation über den Flugplatz Fritzlar [4] wird berichtet, dass die III. Gruppe des
Nachtjagdgeschwaders 1 (III./NJG 1) im September 1944 mit 35-40 Messerschmitt Bf 110 G und 5-8 Junkers Ju 88 G
von Ailertchen nach Fritzlar verlegte. Ihr Kommandeur war Major Martin Drewes. In seinem erhalten gebliebenen
Flugbuch ist zumindest eine Landung Anfang September in Ailertchen dokumentiert [5]. Von Interesse ist hier
sicherlich, dass der Adjutant der III./NJG 1 der spätere Bundespräsident Walter Scheel war, der im Rang eines
Oberleutnants auch als Beobachter oder Bordschütze eingesetzt wurde.
In der einschlägigen Literatur [3] wird auf die Verlegung der 3./Nachtschlachtgruppe 2 mit ihren
Junkers Ju 87 im Zeitraum vom 13. bis 17. September 1944 vom Feldflugplatz Peppenhoven auf den Einsatzhafen
Ailertchen hingewiesen. Dieser Aufenthalt war aber nur von kurzer Dauer, denn ab 27.09.1944 hieß die neue Basis
Köln-Ostheim.
Am 6.März 1945 hat dieselbe Einheit, ergänzt durch Reste weiterer Staffeln der Gruppe sowie den Stab der
NahAufklGrp. 1, wahrscheinlich Ailertchen erneut aufgesucht, um von dort Einsätze gegen die bis zum Rhein
durchgebrochenen Alliierten zu fliegen[6,7,8].
Die Verweildauer dieser Einheit muss relativ kurz gewesen sein, da die Amerikaner Ailertchen am 26. März 1945
kampflos besetzten. Ein weiteres, aus südwestlicher Richtung aufgenommenes Foto eines Aufklärers (Bild 5)
zeigt den E-Hafen Anfang März 1945 nach einem Luftangriff. Deutlich sind vier Bombentrichter nordöstlich des
damaligen Schafstalls (heute Flugzeughalle des FSV-Ailertchen) zu erkennen. Dies zeigt, dass der Platz der
alliierten Luftwaffe bekannt war und auch angegriffen wurde. Bestätigt wird dies durch eine Veröffentlichung
von O. Greifendorf [6].
Danach erfolgte der erste Tieffliegerangriff am 8.4.1944. Er forderte zwei zivile
Todesopfer und führte zu einigen Gebäudeschäden im Ort. Bei einem weiteren solchen Angriff am 16.5.1944
wurde eine geparkte Messerschmitt Bf 109 beschädigt und eine Unterstell-Halle brannte aus. Außerdem stürzte
eine weitere Bf 109 ab, deren Pilot sich aber retten konnte. Am 31.5.1944 zerstörten zwei britische Jäger
eine abgestellte Bf 110 vollständig. Durch Bordwaffen-Beschuss wurden am 5.9.1944 Flugzeugattrappen und
Einrichtungen des Platzes beschädigt. Bei einem weiteren Angriff am 9.9.1944 wurden Gebäude in Brand geschossen.
Zudem forderte diese Attacke einen Toten und drei Schwerverletzte des Platzpersonals, sowie eine zerstörte
Focke-Wulf FW 190, deren Pilot ebenfalls getötet wurde.
Wie schon erwähnt, erreichten amerikanische Truppen gegen 18.35 Uhr am 26.3.1945 Ailertchen und besetzten den
Flugplatz [6]. Nach Reparatur von Schäden durch eine Pionier-Einheit wurde der Platz mit der alliierten
Kennung Y-81 vier Tage später durch die US-Airforce in Betrieb genommen [7] und bis 30.4.1945 genutzt.
Während dieser Zeit sind im Wesentlichen Transport-, Sanitäts- und Aufklärungsflüge durchgeführt worden,
wobei für die beiden ersten Aufgaben vorwiegend C-47 Dakota, die militärische Version der Douglas DC-3,
für letztere die Lockheed P-38 Lightning eingesetzt wurden. Eine über den genannten Zeitpunkt hinausgehende
militärische Nutzung des ehemaligen Einsatzhafens ist nicht bekannt.
Nachdem der Westerwald französische Besatzungszone geworden war, sind die Gleis- und Tankanlagen von den
Franzosen demontiert und die Munitionsbunker gesprengt worden.
Nach der Wiederzulassung des Segelfluges 1951 und des Motorfluges 1955 wurde der südöstliche Teil des ehemaligen
Militärgeländes (Halbser Seite) in der Nähe des unzerstörten Funktionsgebäudes (jetzt: Oliver Racing) als
Sportflugplatz genutzt. Zeitweise wurde dort Segelflug durch Windenstart von Vereinen aus Betzdorf, Mainz,
Siegen, Wetzlar und anderen Orten betrieben. Der Motorflug ist 1956 durch ein Foto einer Bücker Bü 131
Jungmann dokumentiert (Bild 6). Auch der Schraubenhersteller Fastenrath mit Werken in Plettenberg und
Westerburg nutzte in den späten fünfziger Jahren das Gelände für Geschäftsflüge mit seiner Piper PA-12
zwischen den beiden Fertigungsstandorten. Pilot dieser Maschine sowie der danach betriebenen Dornier Do 27
war zeitweise der bekannte Versuchspilot der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug (später: DFVLR)
Erich Klöckner aus Hirtscheid. Der Hangar für die Maschine ist noch heute vorhanden und bestand aus einer
nach Ende des Krieges vergrößerten Halle der ehemaligen Luftwaffe (Bild 7).
Nach der Pflanzung einer Fichtenkultur durch die Gemeinde Halbs im westlichen Teil des Segelfluggeländes
war die Start- bzw. Landebahn unterbrochen und durch die Anlage eines Sportplatzes auf dem östlichen Teil
der Landebahn der Flugbetrieb nicht mehr möglich. Deshalb wurde 1964 auf dem ehemals nordöstlichen Teil
des Platzes in der Gemarkung Ailertchen, parallel zum vormaligen Anschlussgleises, ein neues Fluggelände geschaffen.
Im Jahr 1966 erbaute die Bundeswehr die Wäller-Kaserne im Nordwesten der Stadt Westerburg. Diese Gebäude waren
primär durch das PzBtl 154 belegt, das den von Nordwesten bis nach Süden reichenden Teil des ehemaligen Flugplatzes,
der direkt an das Kasernengelände grenzte, als Standort-Übungsplatz bis zur Auflösung der Einheit 2006 nutzte.
Die in dieser Zeit geschaffene Panzer-Straße verläuft heute noch durch das Gelände und diente der Panzerverladung
über eine Rampe auf die Bahn. Hierzu ist die Trasse des alten Anschluss-Gleises, vom Bahnhof Langenhahn kommend,
etwa zur Hälfte, bezogen auf die damalige Anschlussgleislänge, reaktiviert worden.
Heute, im Jahr 2022, ist dieses Gelände mit einer Fläche von 153ha geschützt und im Besitz der NABU-Stiftung
„Nationales Naturerbe“. Im östlichen Bereich, im Anschluss an die beschriebene Fläche, entlang der Gemarkungsgrenzen
von Halbs und Hergenroth, haben die genannten Gemeinden, passend zu den Naturschutz-Maßnahmen, die Genehmigung
zur Installation von Photovoltaik-Freiflächenanlagen erteilt, die schon seit einiger Zeit zur umweltfreundlichen
Stromerzeugung beitragen.